Die Vorstellungen einer sozial-ökologischen Siedlungsentwicklung lassen sich nur schwer mit dem Einfamilienhaus vereinbaren. Laura Fritsche, Janina Hain, Madita Pyschik und Cora Sauré haben im Rahmen ihrer Thesis-Projekte im M.Sc. und B.Sc. Urbanistik die langfristigen Konsequenzen für die räumliche Entwicklung der Grunddisposition untersucht. Die vier Abschlussarbeiten nehmen den Weg von der Analyse bis hin zur Formulierung konkreter Ideen und Vorschläge, wie die Stadtplanung auf die verschiedenen Herausforderungen des Einfamilienhauses reagieren könnte. Die gekürzten Fassungen ihrer Texte sind im Mai 2024 entstanden und werden hier mit einem einleitenden Text sowie einem Fazit gerahmt. Der Gesamtbeitrag wurde von Johanna Günzel, Sandra Huning und Michael Schwind an der Professur Stadtplanung konzipiert. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Carsten Praum haben sie die Abschlussprojekte begleitet.

Einleitung

In der Findungsphase oder auf Spurensuche?

Gesellschaftliche Veränderungsprozesse fordern die Stadtplanung immer wieder aufs Neue heraus. Schließlich ist die Stadtplanung keine stille Beobachterin von Gesellschaft, sondern prägt diese auf der räumlichen Ebene entscheidend mit. In Bezug auf die Frage des Einfamilienhauses steckt die Disziplin, so unsere Ausgangsbeobachtung, noch in ihrer Findungsphase. Dies ist erstaunlich in Anbetracht der sonst erhitzen Debatte um seine Zukunft: Wie bewertet die Stadtplanung eigentlich diese Lebens- und Siedlungsform? Welche Potenziale und Risiken liegen in Einfamilienhausgebieten für die räumliche Entwicklung von Kommunen? Welche Antworten hält die Stadtplanung für überalternde und schrumpfende Einfamilienhaussiedlungen parat?

Nicht selten als Verbotspolitik tituliert, jonglieren Kommunen vermehrt mit rechtlichen Möglichkeiten, um auf die widersprüchlichen Herausforderungen aus knappen Flächen für Stadtwachstum, bezahlbarem Wohnraum und anhaltender Nachfrage nach Einfamilienhaussiedlungen zu reagieren. Andernorts herrscht hingegen Einigkeit über eine vermeintliche Ausweisungswut, bei der selbst zentrumsnaher Leerstand kein ausreichendes Argument für eine priorisierte Innenentwicklungspolitik darstellt. Die Stadtplanung steckt dann in einer ambivalenten Position. So lassen sich in manchen Kommunen klare planerische Haltungen gegen das Einfamilienhaus ausmachen. In Anbetracht politischer Entscheidungsmacht und fundamentaler städtischer Restrukturierungsprozesse scheinen diese allerdings nur geringe Durchsetzungskraft zu haben. Andernorts ist es die verinnerlichte Einfamilienhauspolitik der Stadtplanung selbst, welche die kommunale Stadtentwicklungspolitik mitbestimmt.

Vor diesem Hintergrund nähert sich dieser Sammelbeitrag planerischen Ansätzen und Handlungsmöglichkeiten als Antwort auf die spezifischen Herausforderungen des Einfamilienhauses. Unser Beitrag stellt vier Abschlussarbeiten vor, die im Master- und Bachelorstudium Urbanistik an der Bauhaus-Universität zwischen 2022 und 2023 entstanden sind.

Die Beiträge machen das, was mit dem Planungstheoretiker Peter Marcuse als Kritische Planung bezeichnet werden könnte (vgl. Progressive Planning 2010). Sie stehen für ein Planungsverständnis, das sich gegen die rationale und technische Planung stellt und es sich zur Aufgabe macht zu analysieren, offenzulegen, vorzuschlagen und schließlich zu politisieren.

Die folgenden Beiträge analysieren zunächst nüchtern das Einfamilienhaus und werfen unterschiedliche soziale und ökologische Fragen auf, z. B. die Verschärfung von Vermögensungleichheiten oder die Zersiedlung von Flächen. Aufgrund ihrer Bauweise und Lage sind Einfamilienhaussiedlungen, verglichen mit dichteren Wohnquartieren, höchst ineffizient, besonders was den Energieverbrauch und die Transportwege betrifft. Die Arbeiten stützen sich dabei auf eine wachsende Anzahl an wissenschaftlichen Studien, die sich den gesellschaftlichen Herausforderungen des Einfamilienhauses annehmen (z. B. ARL 2018; Berndgen-Kaiser 2012; Wüstenrot-Stiftung 2012, 2016).

Mit offenlegen meint Marcuse dann die Aufgabe der Planung, die Ergebnisse dieser Analysen auf eine verständliche Weise zu kommunizieren und auf deren Konsequenzen hinzuweisen. Die folgenden Arbeiten zeigen, dass sich Vorstellungen einer sozial-ökologischen Siedlungsentwicklung nur schwer mit dem Einfamilienhaus vereinbaren lassen und welche langfristigen Konsequenzen für die räumliche Entwicklung damit verbunden sind.

Wichtiger Bestandteil der Abschlussarbeiten sind konkrete Vorschläge und realistische Ansätze, wie auf diese Herausforderungen einzugehen ist. Wie können Einfamilienhaussiedlungen in Zukunft konkret aussehen und beplant werden? Welche baulich-räumliche Gestalt könnten sie einnehmen, wem würden sie und der unter ihnen liegende Boden gehören und mit welchen Planungsinstrumenten würde dies erreicht? Die Politisierung von Einfamilienhäusern und die Formulierung alternativer Zukunftsentwürfe, wie sie Marcuse schließlich einfordert, heißt, dass diese Fragen vor dem Hintergrund bestehender Machtstrukturen diskutiert werden.

Die vier Abschlussarbeiten nehmen den Weg von der Analyse bis hin zur Formulierung konkreter Ideen und Vorschläge, wie die Stadtplanung auf die verschiedenen Herausforderungen des Einfamilienhauses reagieren könnte. Es sind keine für die Schublade geschriebenen Utopien, sondern das, was Marcuse als realistische Ideen für eine „stark erhoffte Zukunft“ bezeichnet.

Der erste Beitrag von Janina Hain geht der Frage nach, inwieweit die Planungskultur lokaler Akteur*innen die Entwicklung neuer Einfamilienhäuser auf kommunaler Ebene prägen. Laura Fritsche fächert das Spektrum formeller und informeller Planungsansätze auf, mit denen Kommunen versuchen, mehr Steuerungsmöglichkeiten über Einfamilienhaussiedlungen zu gewinnen, und zeigt, dass die Instrumente nicht nur recht begrenzt sind, sondern auch nicht vollumfänglich genutzt. Cora Sauré beleuchtet, wie das Instrument der integrierten Stadtentwicklungsplanung im Kontext einer alternden Einfamilienhaussiedlung unter anderem an privaten Eigentümer*inneninteressen scheiterte. Die Eigentumsfrage wird schließlich von Madita Pyschik weiter aufgegriffen, die entlang einer Szenarioanalyse die Möglichkeiten des kommunalen Erwerbs von privatem Grundeigentum und nicht-privaten Wohnformen untersucht.

Autor: Michael Schwind

Durch die planungskulturelle Brille

Der Einfluss kommunaler Planungskultur auf die Neuausweisung von Einfamilienhausgebieten

Obwohl Kommunen vermehrt beschränkende Baumöglichkeiten beschließen, scheint der Trend, Einfamilienhäuser an den Außenbereichen auszuweisen, ungebrochen (Bundesstiftung Baukultur, 2018b, S. 20). Während ökonomische Beweggründe für fortlaufende Ausweisungen bereits vertiefend erforscht wurden (z.B. Behnisch et al., 2018), begreifen wir bislang oftmals nur unzureichend den Einfluss lokaler Handlungsmaximen und individueller planerischer Wertvorstellungen. Die Planungskulturforschung knüpft daran an und begreift räumliches Planen als kulturelle Praxis, deren Handlungsrahmen sich in Abhängigkeit von individuellem Handeln, kulturellen Strukturen sowie lokalen Kontexten ergibt (Levin-Keitel, 2016, S. i). Mit Hilfe dieses theoretischen Ansatzes verfolgte ich das Ziel, die bisher in der Forschung weniger untersuchten kommunalspezifischen Herangehensweisen und persönlichen Einstellungen der Akteur*innen nachzuvollziehen und deren Einfluss auf die Neuausweisung von Einfamilienhäusern zu erforschen. In einer empirischen Untersuchung analysierte ich dafür eine Ortsgemeinde mit 4000 Einwohnenden in Rheinland-Pfalz.

Die Analyse verdeutlichte, dass die Handlungsmaximen der Akteurinnen für die Neuausweisung von Einfamilienhausgebiete von vielen diversen Faktoren abhängen und entsprechend der eigenen Position, beruflichen Hintergründen und individuellen Erfahrungen voneinander abweichen: so zeigte sich eindrücklich, dass die Interessen und Entscheidungsmotive der Akteurinnen auch subjektiv von ihrer Organisationsrolle abhängen und diese somit zur Institutionalisierung tendieren. In der Gemeinde aufgewachsen, fokussierten sich z.B. die Interessen des Bürgermeisters in Bezug auf die Entstehung neuer Einfamilienhausgebiete besonders auf ein allgemeines Wohlergehen der Ortschaft. Im Gegensatz dazu nahmen die Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung eine tendenziell administrative Perspektive auf den Neuausweisungsprozess ein. Ihre Beteiligung beschränkte sich auf die begleitende Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, ohne das nennenswert eigenständige Vorschläge eingebracht wurden. Das Planungsbüro handelte wiederum im Rahmen der Auftragserteilung vorrangig aus einem ökonomischen Interesse und übte somit ebenfalls nur einen marginalen Einfluss auf die Entwicklung aus. Gleichzeitig waren innerhalb des Gemeinderates und besonders im Verwaltungsfachbereich der Bauleitplanung mangelnde stadtplanerische Vorkenntnisse zu verzeichnen. Das führte zu einer Delegation von Verantwortlichkeiten, wodurch sich niemand der Beteiligten vollständig für die Neuausweisung verantwortlich fühlte, und wenig über andere Wohnformate als das Einfamilienhaus diskutiert wurde. Die Akteur*innen waren deshalb nur begrenzt bereit, ihre eigene Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten in dem Neuausweisungsprozess zu reflektieren und entsprechend institutionalisiert zeigten sich die einzelne Wahrnehmung und Bewertung.

Die hier umrissen dargestellten Ergebnisse meiner Arbeitweisen auf die Bedeutung kultureller Eigenarten im kommunalen Planungsprozess hin und verdeutlichen, dass diese bisher zu wenig in planungstheoretischen, aber vor allem auch in planungspraktischenDiskursenbeachtet wurden. Um zu verstehen, warum Einfamilienhäuser noch immer ausgewiesen werden, reicht es deshalb nicht nur auf strukturelle Prozesse zu fokussieren: kulturelle und kommunal unterschiedliche Einflussfaktoren existieren und beeinflussen die Entscheidungen. Es lohnt sich demzufolge auch die individuellen und teils widersprüchlichen Interessen, Wünsche und Wohnvorstellungen der lokalen Akteur*innen in den Blick zu nehmen.

Autorin: Janina Hain

Transformation von Einfamilienhausgebieten

Kommunale Planung und Politik

Inwieweit können Kommunalpolitik und -planung in wachsenden Großstädten die Transformation von Einfamilienhausgebieten strategisch steuern? Vor dem Hintergrund dieser Frage habe ich mich im Rahmen meiner Masterthesis mit den Städten Augsburg, Hamburg, Kassel und Würzburg auseinandergesetzt, die stellvertretend für wachsende Großstädte stehen, die mit einem stetig steigenden Wachstumsdruck, einer hohen Flächennachfrage und somit mit einem angespannten Wohnungs- und Bodenmarkt konfrontiert sind (BBSR, 2021, S. 18).

Die Untersuchung der Fallstudien zeigte, dass vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Stadtentwicklung dieInnenentwicklung zunehmend an Relevanz gewinnt (BBSR, 2021, S. 18) und in Anbetracht dessen auchbestehende Einfamilienhausgebiete vermehrt in den Blick der kommunalen Politik und Planung geraten. Dabei handelt es sich allerdings um keinen konkreten stadtentwicklungspolitischen Diskurs, vielmehr ist dieTransformation von Einfamilienhausgebieten in das gesamtstädtische Ziel der Innenentwicklung eingebettet. Die Auseinandersetzung mit den bestehenden Einfamilienhausgebieten erfolgt allerdings nicht nur aufgrund der hohen Flächeninanspruchnahme, sondern auch aufgrund der homogenen Bevölkerungsstrukturen, der Überalterung der Einwohner*innen, der unterdurchschnittlichen Wohndichte oder der geringen Funktionsmischung.

Um sich mit diesen verschiedenen Herausforderungen und somit auch der Transformation von Einfamilienhausgebieten auseinanderzusetzen, steht den Kommunen eine Reihe formeller und informellerInstrumente zur Verfügung. Während die formellen Instrumente insbesondere die Möglichkeiten derBauleitplanung hinsichtlich Änderungen oder Neuaufstellungen von Bebauungsplänen umfassen, handelt es sich bei den informellen Instrumenten und Strategien unter anderem um Entwicklungskonzepte aller Art,Flächenmanagement und Monitoring sowie verschiedene Formen der Information, Beteiligung und Beratung. Um die kommunalen Steuerungsmöglichkeiten möglichst ausschöpfen zu können, bedienen sich diebetrachteten Kommunen eines Instrumenten- und Methodenmixes (Wüstenrot Stiftung, 2016, S. 240).Dennoch werden die Handlungs- und Einflussmöglichkeiten seitens der Kommunen als sehr begrenzt wahrgenommen. Zum einen ist dies der Eigentümer*innenstruktur geschuldet, da die Transformation vonEinfamilienhausgebieten maßgeblich vom Willen der Eigentümer*innen abhängig ist. Zum anderen handelt es sich bei den zur Verfügung stehenden Strategien und Steuerungsmöglichkeiten überwiegend um informelle Instrumente, die keine Rechtsverbindlichkeit aufweisen und zudem als aufwändige Prozesse gelten.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die untersuchten Kommunen hinsichtlich der eigenen Rolle im Rahmen der Transformation von Einfamilienhausgebieten in einer Art Selbstfindungsphase befinden, die mit planerischen und politischen Verunsicherungen einhergeht (Wüstenrot, 2012, S. 292). Entsprechend ihresSelbstverständnisses nehmen die Kommunen unterschiedliche Rollen ein (ebd.): sie können planend undregulierend bauliche Veränderungen und Nachverdichtungen in Einfamilienhausgebieten steuern (ebd.), alsbeobachtende und beratende Instanz die Transformation von Einfamilienhausgebieten begleiten oder eineinitiierende und fördernde Rolle einnehmen, um die Umsetzung der kommunalen Planungsabsichtenanzuregen (ebd.). Während Kassel und Würzburg sich eher durch eine beobachtende und beratende Rolle definieren, besteht hingegen in Augsburg und Eimsbüttel aufgrund der Flächenknappheit bereits die Notwendigkeit darüber hinaus auch planend, regulierend und initiierend einzugreifen. Die Kommunen wachsen mit ihren Aufgaben und werden langfristig betrachtet bei anhaltendem Wachstumsdruck daraufangewiesen sein, sich mit der Transformation von Einfamilienhausgebieten auseinanderzusetzen.

Autorin: Laura Fritsche

Alte Siedlung – neue Perspektive?

Das integrierte Entwicklungskonzept als Revitalisierungsinstrument für Einfamilienhaussiedlungen

Einst Wohnideal westdeutscher Familien, haben Einfamilienhaussiedlungen aus den 1950er- bis 1970er-Jahren heute an Attraktivität verloren. Sie wieder fit für die Zukunft zu machen, liegt in Zeiten des Klimawandels und Wohnraummangels auf der Hand. Inwiefern bietet das Instrument der Integrierten Stadtentwicklung eine Teilantwort auf diese Herausforderungen?

Meist im suburbanen oder ländlichen Raum gelegen, sind die Siedlungen von einer funktionalen wie sozialen Homogenität geprägt (ARL, 2018, S. 5) und über die vergangenen Jahrzehnte im doppelten Sinne gealtert - hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur wie auch der Bausubstanz. Ihre Zukunftsperspektiven hängen von lokalen Parametern ab, insbesondere der Lage in wachsenden oder schrumpfenden Räumen (Berndgen-Kaiser, 2012, S. 22). Integrierte Entwicklungskonzepte könnten dies angemessen berücksichtigen, denn basierend auf Analysen werden Handlungsfelder ermittelt und individuelle Entwicklungsvorschläge erarbeitet. Die Anwendung solcher Konzepte auf Ebene von Einfamilienhaussiedlungen stellt jedoch bisher die Ausnahme dar.

Mit der Thesis widmete ich mich dieser Anwendungs- und Forschungslücke und stellte die Frage nach den Rahmenbedingungen für eine Revitalisierung mittels Entwicklungskonzept. In der Fallanalyse diente die Alte Siedlung in einer fränkischen Kleinstadt als Beispiel. Für sie war vor rund zehn Jahren im Zuge eines Modellprojektes zwar ein Quartierskonzept erarbeitet, allerdings nie umgesetzt worden. In Interviews mit dem Bau- und Stadtentwicklungsamt, den Konzeptverfassenden und der Zivilgesellschaft sowie anhand lokaler Berichterstattung, statistischer Daten wie auch Foto- und Kartenmaterial offenbarte sich mir eine Vielzahl an hemmenden Faktoren, die im Folgenden skizziert werden.

Es zeigte sich, dass im personell knapp besetzten Bauamt der untersuchten Kleinstadt die Kapazitäten bereits mit den Pflichtaufgaben gebunden werden. Für darüberhinausgehende Projekte wie den Aufbau von Quartierstreffs und generationsübergreifenden Nachbarschaftsnetzwerken wären zusätzliche Akteur*innen und Ressourcen nötig. Zudem sind Revitalisierungsmaßnahmen aus dem kommunalen Haushalt kaum zu finanzieren, die barrierefreie Umgestaltung von Straßenräumen etwa dauert somit Jahrzehnte. Da der Gemeinde der Zugriff auf private Grundstücke fehlt, ist sie beispielsweise bei der nachträglichen Schaffung von altersgerechten Wohnangeboten in der Siedlung auf Mitwirkung der Eigentümer*innen angewiesen. Ein verstärktes Engagement der Bewohnendenschaft erscheint mit Blick auf die indirekte Aufwertung ihres privaten Eigentums im Zuge der Revitalisierung zumutbar. In niedrigschwelligen Beteiligungsformaten Senior*innen und junge Familien gleichermaßen zu erreichen, zu sensibilisieren und bei ihnen Kapazitäten für Engagement freizusetzen, bleibt jedoch eine Herausforderung.

Das Beispiel der Alten Siedlung verdeutlicht, dass Revitalisierung ohne eine aktivierte Zivilgesellschaft, den politischen Willen und eine langfristige planerische Begleitung, wie etwa durch ein Quartiersmanagement, nicht stattfinden kann. Die finanzielle Förderung von Entwicklungskonzepten und ebenso von konkreten Maßnahmen drängt sich als entscheidende Stellschraube auf. Damit ließen sich Pilotprojekte umsetzen und wertvolle Erfahrungen sammeln, wie die Potentiale in alternden Einfamilienhaussiedlungen gehoben werden können.

Autorin: Cora Sauré

Der Wunsch vom Eigenheim

Szenarien zu alternativen Eigentumsmodellen in bestehenden Einfamilienhausgebieten

Wie bereits in den vorangehenden Beiträgen bereits gezeigt wurde, ist es neben der Frage, inwiefern der Neubau von Einfamilienhäusern zukünftig gerechtfertigt werden kann, gleichermaßen relevant, sich mit dem Bestand auseinanderzusetzen. Wie könnte dieser weiterentwickelt werden, um auf die zu kritisierende Fortsetzung von Homogenität und Monofunktionalität sowie deren ökologische Auswirkungen zu reagieren? Zumindest für einen Teil der Siedlungen könnten sich neue Perspektiven anbieten, in welchen sie sich hinsichtlich ihrer Bewohner*innen und Nutzungen dichter und diverser gestalten können.

In meiner Thesis habe ich in drei Szenarien das charakteristische Merkmal des Wohneigentums als möglichen Faktor zur Umsetzung von Veränderungen betrachtet. Bislang wird die Wohnform des Einfamilienhauses und das private Wohneigentum traditionell als unzertrennliche Einheit verstanden – zusammengefasst unter der Bezeichnung des ‚Eigenheims‘. Aktuell befinden sich rund 88 % der Einfamilienhäuser im privat genutzten Wohneigentum (BSBK, 2019, S. 59). Als potenziell ergänzende Eigentumsverhältnisse wurden folgend gemeinwohlorientierte Akteur*innen und die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente in Betracht gezogen. Deren Zielstellung ist es, Wohnraum den Wertsteigerungen des freien Marktes zu entziehen und so langfristig dessen Bezahlbarkeit zu garantieren (Balmer & Bernet, 2017).

Zum Vergleich wurde in Szenario 1 zunächst die Fortsetzung der bislang typischen Verkaufs- und Erwerbsprozesse zwischen privaten Haushalten beschrieben, während in den Szenarien 2 und 3 neue Akteur*innen auftreten. In diesen stand die Frage im Fokus, inwiefern Boden und Gebäude im Bestand in nicht-private und gemeinwohlorientierte Eigentumsformen überführt werden könnten. Obwohl in Szenario 2 die Einheit von Grundstück und Gebäude weiterhin aufrechterhalten bleibt, übernimmt jedoch ein genossenschaftliches Wohnprojekt das Eigentum. In Szenario 3 kann durch die Unterstützung weiterer Akteurinnen – Bodenstiftung oder Kommune – dieser Verbund schließlich in der Anwendung des Instruments des Erbbaurechts aufgetrennt werden.

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Übersicht der drei Szenarien, Grafik: Madita Pyschik


Die spezifische Auswahl der zusätzlichen Eigentumsformen wurde anhand der Rahmenbedingungen des konkreten Fallbeispiels vorgenommen – einer Nachbarschaft in einem Randstadtteil einer westdeutschen Großstadt. Das Fallbeispiel dient dabei als Stellvertreter für vergleichbare Einfamilienhausgebiete; eine direkte Übertragung der Ergebnisse ist aufgrund der jeweiligen lokalen Rahmenbedingungen allerdings nicht möglich.

In den Ausformulierungen der Szenarien ergibt sich jedoch für diesen Kontext, dass die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, ob bestehende Einfamilienhaussiedlungen mit Blick auf den Faktor ‚Wohneigentum‘ weiterentwickelt werden könnten, erst einmal lautet: Ja! Ein Spektrum an Eigentumsverhältnissen würde insbesondere eine positive Auswirkung auf die sozialräumliche Gestaltung haben, indem andere Wohnformen und Haushaltsgrößen abseits der traditionellen Kernfamilie Platz finden könnten.

Doch selbst im Fall der Eigentümer*innenwechsel, welche ich aufgrund des hohen Ansehens von Privateigentum als realistische Ausgangspunkte für Veränderungen bewerte, stellen insbesondere finanzielle und bauliche Ausgangspunkte andauernde Herausforderungen dar. Insbesondere durch die Einbettung in einen weiterhin profitorientierten Immobilienmarkt bräuchten umsetzungswillige Akteur*innen zunächst einen hohen Anteil an Eigenkapital, um den gängigen Marktwert für die Eigenheime zu bezahlen, bevor diese in eine gemeinwohlorientierte Nutzung überführt werden könnten. Ohne Entgegenkommen der vorherigen Eigentümer*innen oder Unterstützung weitere Akteur*innen, insbesondere der Kommune, scheint das nicht umsetzbar. Zusätzlich lassen sich durch die vereinzelten Verkaufsprozesse nur kleinteilige Projekte realisieren. Die bislang auf einen Haushalt zugeschnittenen Häuser und Grundstücke müssten zudem baulich an die Bedürfnisse anderer Wohnkonstellationen angepasst werden, was jedoch (je nach gültigem Baurecht) oft nur bedingt möglich ist. Je nach Alter der Gebäude sind zudem Modernisierungen und Sanierungen erforderlich. Hinsichtlich dieser Herausforderungen scheint es bislang insgesamt unwahrscheinlich, dass sich gemeinwohlorientierte Akteur*innen an die Raumkategorie Einfamilienhausgebiet ‚wagen‘ und diese somit verändern.

Da zusätzliche Eigentumskonstellationen jedoch positive Auswirkungen auf die Gestaltung von Einfamilienhausgebieten haben können, sollte sich folgend überlegt werden, wie den genannten Hürden begegnet werden könnte. Dabei scheint einerseits der Kommune im Rahmen der Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen eine Schlüsselrolle zuzukommen. Andererseits sollten finanzielle Förderungen zur Eigentumsbildung jedoch auch allgemein nicht nur primär aufdas Eigenheim zugeschnitten sein, sondern auch den Erwerb anderer Eigentumsformen begünstigen.

Autorin: Madita Pyschik

Fazit

Ein fest verankertes Ideal und mögliche Wege

Die Arbeiten fragen aus ihrer theoretischen Brille nach den spezifischen Herausforderungen bei der Neuorientierung im Umgang mit Einfamilienhausgebieten und Einfamilienhäusern. Welche (neuen) Akteure kommen in Frage? Mit welchen bestehenden oder neuen Strategien und Instrumenten lassen sich Einfamilienhaus-Siedlungen umgestalten, beispielsweise durch Nachverdichtung? Und wie ließen sich neue Eigentumsverhältnisse in EFH-Siedlungen implementieren?

Die Untersuchungen über Planungskulturen und den Einsatz von Instrumenten und Strategin im Umgang mit neuen EFH-Gebieten zeigen, dass das Ideal des Eigenheims mit Garten entgegen allen fachlichen Argumenten noch immer gesellschaftlich fest verankert ist, dass Alternativen zu dieser Wohnform mancherorts gar nicht denkbar erscheinen. Scheinbare Verbote in Form von Nicht-Ausweisung verursachen Reaktanz und behindern dadurch weiter den Austausch, sind aber angesichts der Flächenknappheit nicht mehr zu vermeiden. Sie sollten begleitet werden von einem breit angelegten Diskurs über die Kriterien „guten“ Wohnens und der Schaffung attraktiver Alternativen zum Eigenheim. Sei es nun die Privatheit, die Eigentumsform oder die Lage – die Vorteile, die das Wohnen im Einfamilienhaus mit sich bringt, sind in ähnlicher Weise auch in anderen Wohntypologien erreichbar.

Eine bedeutende Stellschraube bei den Überlegungen zum Umgang mit dem EFH-Bestand ist die Einbindung der Eigentümer*innen. Dem Schutz ihres Eigentums und ihrer Rechte am Eigentum wird eine höhere Gewichtung zuteil als den Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit, die mit dem Wohneigentum einhergehen. Einer top-down formulierten Kritik an EFH-Siedlungen und deren Entwicklungsperspektiven müssen sich die Eigentümer*innen nach derzeitiger Gesetzeslage nicht beugen. Vielmehr ist es die Aufgabe der Stadtplanung, die privaten Eigentümer*innen von Einfamilienhäusern zu sensibilisieren und zu motivieren, sich hinter die Ziele einer gemeinwohlorientierten Planung zu stellen und die daraus abgeleiteten Maßnahmen nicht nur mit zu tragen, sondern aktiv mit zu entwickeln. Ein solches koordiniertes und beteiligendes Vorgehen erfordert jedoch Ressourcen sowohl auf Seiten der Stadtplanung als auch auf Seiten der Eigentümer*innen, die in der Realität oft nicht vorhanden sind. So gilt es bereits in der Ausbildung von Planer*innen auf den Umgang mit Wohngebieten mit kleinteiliger Eigentümer*innenstruktur vorzubereiten, formelle wie informelle Instrumente weiterzuentwickeln und geeignete Förderprogramme für deren Umsetzung ins Leben zu rufen.

Autor*innen: Johanna Günzel, Michael Schwind, Sandra Huning

Autor*innen

Laura Fritsche studierte von 2016 bis 2020 Urbanistik im Bachelor an der Bauhaus-Universität Weimar und schloss 2023 ihr Masterstudium der Urbanistik ebendort ab. Seitdem arbeitet sie in einer Kommunal- und Stadtentwicklungsgesellschaft, insbesondere im Bereich der Stadt- und Bauleitplanung.

Janina Hain studierte von 2019 bis 2023 Urbanistik im Bachelor an der Bauhaus-Universität Weimar. Gestärkt durch hochschulpolitische Arbeit, fokussieren sich ihre Interessen im Bereich der Governance, Zivilgesellschaft und Demokratie. Derzeit sammelt sie praktische Erfahrungen in einem Planungsbüro, bevor sie im Oktober 2024 mit ihrem Masterstudium beginnt.

Madita Pyschik schloss 2023 ihr Bachelorstudium der Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar ab und arbeitet seitdem in einem privaten Planungsbüro. Ihre Interessen liegen insbesondere bei den Themenbereichen Wohnraumversorgung, Gestaltung des öffentlichen Raums und ressourcenschonende Stadtentwicklung.

Cora Sauré wuchs in Mannheim auf und studierte in Weimar und Frankreich. Seit dem Abschluss des B.Sc. Urbanistik an der Bauhaus-Universität setzt sie ihr Studium mit dem Master an der TU Berlin fort. Die Einfamilienhausthematik begleitet sie dort weiterhin.

Literaturverzeichnis

  • ARL. (2018): Ältere Einfamilienhausgebiete im Umbruch. Eine unterschätzte planerische Herausforderung – Zur Situation in Nordrhein-Westfalen (Positionspapier aus der ARL 109).

  • Balmer, Ivo & Tobias Bernet. (2017). Selbstverwaltet bezahlbar wohnen? Potentiale und Herausforderungen genossenschaftlicher Wohnprojekte. In Schönig, Barbara, Justin Kadi & Sebastian Schipper (Hg.), Wohnraum für alle?! (S. 259-279). transcript Verlag.

  • BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. (2021). Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen in wachsenden Kommunen. Erhebung und Erprobung von Bausteinen eines aktiven Managements. Bonn.

  • Behnisch, Martin & Kretschmer, Odette & Meinel, Gotthard. (2018). Flächeninanspruchnahme in Deutschland: Auf dem Wege zu Einem besseren Verständnis der Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung. Berlin: Springer Spektrum.

  • Berndgen-Kaiser, Andrea (2012): Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren. Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Nutzung; [ein Forschungsprojekt der Wüstenrot Stiftung]. Ludwigsburg: Wüstenrot Stiftung.

  • Bundesstiftung Baukultur. (2019). Baukultur Bericht. Erbe – Bestand – Zukunft. 2018/2019. Eigenverlag der Bundesstiftung Baukultur.

  • Wüstenrot Stiftung. (2012). Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren. Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Nutzung. Eigenverlag.

  • Wüstenrot Stiftung. (2016). Einfamilienhäuser 50/60/70. Stadtentwicklung und Revitalisierung. Eigenverlag.

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Interdisziplinäres Forscher*innenteam

Nachwort und Reflexionen

Die Forschungswerkstatt Krise und Transformation des Eigenheims ist ein im Rahmen der Fellowship Forschungswerkstatt der Bauhaus-Universität Weimar gefördertes Forschungsprojekt. Ihr Hauptanliegen besteht darin, die sozialen, ökologischen und architektonisch- planerischen Krisen im Kontext des Eigenheims zu untersuchen und Ansätze für eine sozial- ökologische Transformation zu identifizieren.

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Skizzen für die Wortmarke der Forschungswerkstatt: Krise und Transformation des Eigenheims, Skizze, 2022