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Ausstellung Das Einfamilienhaus zur Disposition im Rahmen der summaery 2023, Foto: Florian Marenbach, 2023

Im Rahmen des Teilprojekts Weiterentwerfen wurden im Seminar Half Measures – Das Einfamilienhaus zur Disposition im Sommersemester 2023 an der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar Wohnpraktiken in Einfamilienhäusern untersucht. Ziel war es, angesichts zunehmend unternutzter Flächen in Einfamilienhäusern Hinweise für mögliche Neuzuordnungen, Transformationen und Verdichtungen des Bestandes zu erhalten. Eine empirische Falluntersuchung, die im Rahmen eines forschenden Lehrformats gemeinsam mit Studierenden durchgeführt wurde, diente hierbei als explorativer Einstieg in das für uns noch unbekannte Forschungsfeld. Auf der Summaery, der Jahresausstellung der Bauhaus-Universität, präsentierten die Studierenden im Juli 2023 ihre Falluntersuchungen.

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Ausstellung Das Einfamilienhaus zur Disposition im Rahmen der summaery 2023, Foto: Florian Marenbach, 2023

 Das Feld ist weit angesichts von 16 Millionen Wohngebäuden (Destatis, 2022, S.16) mit einer oder zwei Wohneinheiten in Deutschland. Bei einem Großteil davon handelt es sich um selbst genutztes Eigentum, das uns in der Forschungswerkstatt Krise und Transformation des Eigenheims besonders interessiert. Als Einstieg wollten wir eine möglichst große Bandbreite abbilden. Die Häuser sollten sich im ländlichen Raum, in Dörfern oder in Klein- und Großstädten befinden. Diese Orte wiederum konnten sowohl in Regionen liegen, in denen zukünftig mit Leerstand zu rechnen ist oder in denen die Nachfrage weiter steigen wird.

Die Teilnehmer*innen des Seminars waren 16 Studierende im höheren Semester des Bachelor- und Masterstudiengangs Architektur sowie im Bachelorstudiengang Urbanistik. Die Studierenden selbst agierten als Forschende und waren zugleich Schlüsselfiguren in der Erschließung des zu erforschenden Felds. Insbesondere in einem schwer zugänglichen und intimen Forschungsfeld, wie dem privaten Wohnraum, ist dies besonders hilfreich. Die erste Vorauswahl von Fallbeispielen durch die Studierenden zeigte einen Überhang an ‚Empty-Nestern‘, also Wohnhäuser, in denen die Kinder gerade ausgezogen waren oder dies unmittelbar bevorstand. Dies hing generationsbedingt mit der Suche nach Fällen im persönlichen oder familiären Umfeld der Studierenden zusammen. Veränderungspotentiale sind es jedoch genau für diese Konstellationen zu erwarten, die, wenn noch nicht jetzt, dann womöglich zukünftig ähnlich wie Senior*innen in ihren Einfamilienhäusern pro Kopf relativ große Flächen bewohnen und dafür bereits sensibilisiert werden können (Kenkmann et al., 2019, S.70 ff.). Das ‚Empty-Nest‘ mit seinen Wohnpraktiken und baulichen Eigenheiten wurde daher zum Fokus dieser Untersuchung. In Anlehnung an die vom Umweltbundesamt in einer Studie vorgeschlagene Teilung von Einfamilienhäusern (ebd.) haben wir das Seminar Half Measures genannt.

Acht Fallbeispiele wurden von jeweils zwei Studierenden untersucht. Die Studierenden führten dazu mit den Bewohner*innen ca. 1-2-stündige offene Leitfaden-Interviews. Die Befragten wurden gebeten, das Wohnen in ihrem Haus sowie ihr Haus in Bezug auf seine Räumlichkeiten, seine Einrichtung und Ausstattung und sein Umfeld zu beschreiben.

Gefragt wurde außerdem nach der Bedeutung des Wohnens im Einfamilienhaus und nach (zukünftigen) Veränderungswünschen. Die bauliche Substanz des Hauses wurde in Planzeichnungen festgehalten und bestimmte hervortretende Prozesse, wie beispielsweise Nutzungsabläufe von Bewohner*innen, in Diagrammen und/oder Skizzen dargestellt. Mittels des Modellbaus wurde je ein spezifischer Ort im Zuhause, der in den Interviews besonders hervortrat, tiefer beleuchtet. Im Nachbau, als Teil einer Übertragung des Vorgefundenen, sollte die Wertschätzung für diesen Ort und dessen atmosphärische Qualitäten erfahrbar gemacht werden.

Die Einzelfallanalysen wurden im Seminar gegenübergestellt und gemeinsam mit den Studierenden diskutiert. Das erhobene Material wurde anschließend von den beiden Autorinnen vergleichend ausgewertet. Für diesen Prozess erwiesen sich die gemeinsamen Diskussionen im Verlauf des Seminars als äußerst fruchtbar, aber wirkten auch als Korrektiv der jeweils subjektiven Sichtweisen aller Forschenden. Ein Forschungsbericht mit den Auswertungsergebnissen ist in Bearbeitung.

Auf den Themen aufbauend,welchedie Falluntersuchungen zutage bringen, werden im Rahmen einer Thesis-Gruppe im Bachelor-Studiengang Architektur aktuell Fragestellungen für eine entwurfliche Untersuchung im baulichen Bestand von Einfamilienhäusern entwickelt.

Seminarteilnehmer*innen: Hilde Braunschweig, Marie Düsberg, Paulina Foht, Luisa Fürst, Lara Grefer, Anne-Fleur Ising, Daniel Kleine-Kraneburg, Johanna Knigge, Mascha Leykauf, Sophie Pütz, Johanna Roth, Nico Schmitt, Eva Schütze, Felix Tepel, Martha Elisabeth Willée, Leonhard von Zumbusch

Gastbeiträge im Seminar: Verena von Beckerath, Johanna Günzel, Kassandra Löffler, Elodie Vittu

Literaturverzeichnis

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02:15

Julia von Mende, Hanna Maria Schlösser

Thesis-Gruppe Einfamilienhaus – Anwendung empirischen Wissens im Entwurf

In Anknüpfung an die empirische Untersuchung von Einfamilienhäusern mit ihren Bewohner*innen im forschenden Lehrformat Half Measures – Das Einfamilienhaus zur Disposition aus dem Sommersemester 2023 wird die Anwendbarkeit des gewonnenen Wissens im Entwurf erprobt. Dazu wird im Wintersemester 2023/24 die Bearbeitung einer Thesis im B.Sc. Architektur in der Thesis-Gruppe Einfamilienhaus angeboten.