Die Forschungswerkstatt Krise und Transformation des Eigenheims ist ein im Rahmen der Fellowship Forschungswerkstatt der Bauhaus-Universität Weimar gefördertes Forschungsprojekt. Ihr Hauptanliegen besteht darin, die sozialen, ökologischen und architektonisch- planerischen Krisen im Kontext des Eigenheims zu untersuchen und Ansätze für eine sozial- ökologische Transformation zu identifizieren.

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Skizzen für die Wortmarke der Forschungswerkstatt: Krise und Transformation des Eigenheims, Skizze, 2022

Die Forschungsarbeit wird in der Zeit vom 1. November 2022 bis zum 28. Februar 2024 durchgeführt und von einem interdisziplinären Team bestehend aus Experten der Architektur, Stadtplanung, Stadtforschung und visuellen Kommunikation geleitet.

Während des Förderungszeitraums arbeiteten fünf interdisziplinäre Mitarbeiter*innen der Bauhaus- Universität Weimar, eine Postdoc-Stipendiatin, ein Alumnus und zwei Master-Studierende gemeinsam am Projekt. Sie waren sowohl am kollektiven Gesamtprojekt der Forschungswerkstatt beteiligt als auch in verschiedenen Konstellationen in Teilprojekten organisiert.

Das Teilprojekt 01 Wohnwünsche und ihre Erfüllung zwischen Gemeinschaftsprojekt und Eigenheim (Johanna Günzel & Kassandra Löffler) zielt darauf ab, Erkenntnisse über die Idealvorstellungen des Wohnens, jenseits von individuellen und ökonomischen Motiven, zu gewinnen. Dabei werden die Einflüsse auf die Wohnentscheidungen in verschiedenen Gemeinschaftsprojekten und Eigenheimen vergleichend analysiert.

Im Fokus des Teilprojekts 02 Eigentum schaffen und gebrauchen (Michael Schwind & Elodie Vittu) stehen die zentralen Fragestellungen, wie das soziale Verhältnis zwischen Eigentümer*innen und Mieter*innen gestaltet ist, und wie Eigentümer*innen ihre Eigenheime wahrnehmen, erhalten und pflegen, im Fokus der Untersuchung. Dabei wird sich auf Fallbeispiele aus der Region gestützt.

Das Teilprojekt 03 Krise als Chance oder Weiterentwerfen des Eigenheims: Von der Empirie zu baulich-räumlichen Transformation (Julia von Mende & Hanna Maria Schlösser) fußt auf einem forschenden Lehrformat zum Einfamilienhaus und umfasste eine gemeinsam mit Studierenden durchgeführte empirische Untersuchung.

In gemeinsamen Workshops und Coachings mit der Historikerin und Expertin im Bereich der Oral History Agnès Arp wurden methodische Fähigkeiten vertieft und wissenschaftliche Ansätze zur Bearbeitung der Forschungsfragen erörtert.

Als Teamleitung hat Elodie Vittu die inhaltliche, organisatorische und finanzielle Koordination der Forschungswerkstatt übernommen.

In enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten wurde ein visuelles Konzept (Enno Pötschke) erarbeitet und auf diverse Medien (Interim Website, Bauschild, Drucksachen) multipliziert. Weiterhin wurde die Wissenschaftskommunikation und Vervielfältigung der Ergebnisse diskutiert und dieses digitale Recherchewerk geplant. Die Website wurde von Moritz Ebeling programmiert.

Ein Redaktionsteam (Enno Pötschke, Marie Weber & Selina Klaus) konzipierte die inhaltliche Struktur und konzeptionelle Umsetzung der Forschungsergebnisse auf der Website. Hinzukommen, hielt es das Team bei der Erstellung des digitalen Recherchewerk zusammen und ermöglichte die Umsetzung.

Die Bildredaktion (Hanna Maria Schlösser & Enno Pötschke) konzipierte in Dialog mit den anderen Forscher*innen eine Bildstrecke mit der Fotografin Mirka Pflüger, sowie illustrative Beiträge für die Teilprojekte mit Moriz Oberberger und Marijpol, oder den Studierenden des Seminars Half Measures. Die fotografische Dokumentation erfolgte durch Florian Marenbach.

Joseph Kwasnik unterstützte uns bei der Korrektur der englischen Texte.

In der Forschungswerkstatt wurden Fähigkeiten und Kenntnisse geteilt, Gestaltungskonzepte für die Vermittlung der Ergebnisse entwickelt und die Forschungsarbeit selbst zum kollektiven Prozess gemacht.

Reflexion der gemeinsamen Forschungsarbeit

„Seit dem Beginn der Arbeit in der Forschungswerkstatt liegt ein Stapel weißes unliniertes Papier im Din-A Format auf meinem Tisch. (…) Die Gedanken meiner Arbeit werden fast ausschließlich in Zeichnungen, Plänen und Modellen kondensiert. Mit dem Forschen kam der Text als Werkzeug in meinem persönlichen Repertoire hinzu.“

„Dem Interesse meiner Kolleg*innen folgend habe ich im Jahr der Forschungswerkstatt die Methode des Interviews genauer kennen- und schätzen gelernt.“

„Mein Blick auf die Architektur hat sich durch das Projekt der Forschungswerkstatt mehrfach erweitert. Neben dem Austausch mit den Kolleg*innen haben dazu die befragten Bewohner*innen beigetragen, deren Erfahrungswissen durch eine Auswertung der Interviews eine starke Form angenommen hat.“

„Das Interview mit Bewohner*innen erwies sich für mich in diesem Kontext nicht nur als wesentlicher Schlüssel zum Verständnis von Wohnpraktiken und deren räumlichen Zusammenhängen, sondern entfaltete auch eine überraschend verbindende Wirkung innerhalb der Forscher*innengruppe.“

„Besonders erkenntnisreich fand ich den Prozess, der zu zwei sehr unterschiedlichen Produkten geführt hat: einerseits, ein 1:1 Objekt mit dem Bauschild, andererseits eine digitale Publikation mit der gemeinsamen Webseite.“

„Die Webseite stellt das Ergebnis der Forschungswerkstatt dar. […]  Die Interaktivität wird durch Verlinkungen zum Literaturverzeichnis und Glossar geschaffen. Die Abbildungen und die Texte funktionieren zusammen. Diese Form der Publikation […]  schafft – unserer Meinung nach – eine neue Leser*innenschaft.“

„Jede*r hat Anknüpfungspunkte an das Thema Einfamilienhaus. Die einen träumen davon, die anderen wollen es verbieten, die nächsten haben keine klare Haltung, werden aber damit konfrontiert  […]. Diese Anknüpfungspunkte können wir in der Wissenschaft nutzen, wenn wir unsere Arbeit zugänglich machen für alle.“

„Den Austausch darüber, […]  welche Chancen die Wissenschaftskommunikation bietet, finde ich bereichernd und unverzichtbar für meine weitere Arbeit zum Thema Einfamilienhäuser."

„Ich habe neue Fachbegriffe kennengelernt, habe ständig nachgefragt, um Missverständnisse zu vermeiden; habe mich begeistern lassen und auch teils sehr kritisch geäußert. Ich habe mich gehört gefühlt, gleichzeitig aber von anderen Sichtweisen und Wegen inspirieren lassen.“

„Die enge Zusammenarbeit mit Gestaltenden und Entwerfenden, die Offenheit des Formats und die kollegiale Atmosphäre in der Forschungswerkstatt Krise und Transformation des Eigenheims eröffneten mir einen idealen Rahmen, um Schritte von der empirischen Forschung zur Transformation des Bestands und zum Entwurf auszuloten.“

„Ich habe die Forschungswerkstatt als einen kollektiven Versuch verstanden, in dem nicht das vorhandene Wissen vertieft wird, sondern wir uns in einem gemeinsamen Prozess neues Wissen aneignen.“

„Durch die Zusammenführung von […] Disziplinen in der Forschungswerkstatt haben sich auch ganz neue Formen der Wissensaneignung ergeben.“

„In der Vergangenheit habe ich Respekt vor Entscheidungen, in denen viele Stimmen und Meinungen involviert sind, gehabt. Einen Prozess, den man pejorativ Design by Comitee bezeichnet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass genau das mit einer einheitlichen Vision möglich ist und sein muss.“

„Wir können aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen nicht mehr so leben und wohnen wie unsere Eltern (-generation). Wie die Alternative aussieht, sollten wir als Stadtplaner*innen wissen; doch dafür ist mindestens eine Forschungswerkstatt notwendig, um eine Wohntransformation einer ganzen Generation zu begleiten.“

„So hat mich beeindruckt, wie viele studentische Abschlussarbeiten sich inzwischen mit dem Thema beschäftigen.“

„Ich möchte mich für das Vertrauen und die Chance bedanken, die ich geschenkt bekommen habe und wünsche mir, dass unsere Ergebnisse in die Hände der Entscheidungsträger*innen fällt und mehr Bewusstsein in Bezug auf des Themas entsteht.“

Verwandt

01:54

Interdisziplinäres Forscher*innenteam

Einleitung

Zwei-Drittel der deutschen Bevölkerung wünscht sich ein Eigenheim mit Garten (Interhyp, 2021). Das freistehende Einfamilienhaus scheint weiterhin ein Ideal, das die individuellen Wünsche und Bedürfnisse vieler abzubilden vermag. Die 16,1 Mio. Einfamilienhäuser in Deutschland bestärken diese These und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, kann längst nicht mehr unbefangen über diese Bauform diskutiert werden (Destatis, 2022).

Am Eigenheim kristallisieren und konzentrieren sich soziale, ökologische und architektonisch-planerische Krisen der Gegenwart. Diese Krisenhaftigkeit birgt enormes Transformationspotential.