Das Einfamilienhaus mit Garten stellt ein für viele Menschen scheinbar alternativloses Ideal dar. Nicht wahrgenommen werden ökologische (beispielsweise Versiegelung und ein höherer Heizbedarf), ökonomische (beispielsweise die Erschließung für technische Infrastruktur) sowie gesellschaftliche Folgen (wie soziale Ungleichheiten und die Konsolidierung traditioneller Rollenbilder).

DIESE KOSTEN TRÄGT DIE GESAMTGESELLSCHAFT.

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Bauschild auf dem Campus der Bauhaus-Universität Weimar zur summaery23 (Jahresausstellung der Bauhaus-Universität Weimar), Foto: Florian Marenbach, 2023

Das achtköpfige Forschungsteam hat in Weimar ein Bauschild aufgestellt, und informiert dabei die Weimarer Stadtgesellschaft über die sozialen, ökologischen und architektonisch-planerischen Krisen des Eigenheims.

Um Forschungsprozesse, aber auch intern geführte Diskussionen und angestellten Überlegungen für die Zivilgesellschaft zugänglich und greifbar zu machen, suchten das Forscher*innenteam nach wir nach einem alternativen Medium und Format, das als vermittelndes Element agierten konnte.

Im Bauschild sahen wir einen geeigneten Anknüpfungspunkt, um in gebündelter Form erste Inhalte zu vermitteln und uns über den Fachdiskurs hinaus, an ein breites Publikum zu richten. Bewusst wurde ein Medium gewählt, mit welchem sonst für das Leben im Einfamilienhaus mit Garten geworben wird.

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Bauschild auf dem Campus der Bauhaus-Universität Weimar zur summaery23 (Jahresausstellung der Bauhaus-Universität Weimar), Foto: Florian Marenbach, 2023

Die fünf Aussagen des Bauschildes sind Folgende:

In Deutschland gibt es 16,1 Mio. Einfamilienhäuser (EFH)1 , das sind fast 67% aller Wohngebäude. Sie dominieren damit den Bestand.2 (Destatis, 2022, S.16; Destatis, 2021)

EFH haben einen deutlich höheren Flächenverbrauch. Ihre Bewohner*innen wohnen durchschnittlich auf 157 m². Das sind fast 79 m² mehr als in Mehrfamilienhäusern (MFH).3 (ebenda)

Der ländliche Raum in Thüringen erlebt einen stetigen Bevölkerungsrückgang. Bis zum Jahr 2030 werden potentiell 36.000 EFH leer  stehen. Dennoch werden im Freistaat jährlich 1.500 EFH neu gebaut. (Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, 2018, 74f.)

EFH verursachen kommunale Investitionskosten für Straßen, Kanalisation, Trinkwasser- und Stromleitungen. Für ein EFH sind die Erschließungskosten 8-mal höher als für ein kompaktes MFH.4 (Bundesstiftung Baukultur, 2018, S.60)

Wohneigentum ist Ausdruck einer hohen Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland. Der Median des Nettovermögens von Immobilieneigentümer*innen erreichte im Jahr 2021 mit 364.800 € einen Höchststand. Bei den Mieter*innen lag dieser bei 16.200 €. (Deutsche Bundesbank, 2021)

  1. 1 EFH = Einfamilienhaus
  2. 2 Bestand an Wohngebäuden in den Jahren 2010–2021 mit einer oder zwei Wohnungen
  3. 3 MFH = Mehrfamilienhaus
  4. 4 EFH mit 1.000 m² Grundstücksfläche/Wohneinheit und ein MFH mit 100 m² Wohnfläche/Wohneinheit.
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Bauschild auf dem Campus der Bauhaus-Universität Weimar zur summaery23 (Jahresausstellung der Bauhaus-Universität Weimar), Foto: Florian Marenbach, 2023

Eckdaten Standorte

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Bauschild auf dem Bahnhofsvorplatz in Weimar, Foto: Florian Marenbach, 2023

Das Bauschild befand sich von Juli bis Ende Oktober auf dem Gelände der Bauhaus-Universität Weimar und wurde dort im Kontext der summaery23 (Jahresausstellung der Bauhaus-Universität Weimar) aufgestellt.

Auf einer Freifläche, die neben der hochschulinternen Fachöffentlichkeit auch Besucher*innen und externen Interessierten zugänglich ist, informierte das Bauschild erstmals über Auszüge der Forschungsergebnisse. Das Bauschild auf der grünen Wiese, die laut dem Entwicklungsplan der Universität in naher Zukunft verdichtet und bebaut werden soll, macht auf die Thematik und Problematik neu ausgeschriebener Einfamilienhausgebiete am Stadtrand vieler Kleinstädte aufmerksam. Über das bekannte und vertraute Format des Bauschildes und mittels der dazu im Kontrast stehenden signalfarbenen Schrift soll erst einmal Aufmerksamkeit erzeugt und im zweiten Schritt einen Diskurs über die darauf platzierten Inhalte angeregt werden.

Bis Ende November 2023 befand sich das Bauschild auf dem Vorplatz des Weimarer Bahnhofes. 5

Die prozesshafte Standortfindung im öffentlichen Stadtraum war nicht zuletzt von der politischen Dimension des Themas geprägt und zeigte, wie kontrovers die auf dem Bauschild ausgestellten Inhalte sind. Nachdem viele Standorte erfolglos angefragt wurden, bekamen wir die Genehmigung für einen Ausstellungszeitraum von einem Monat. Trotz all der Hürden und Schwierigkeiten freuen wir uns an einem wichtigen infrastrukturellen Standort in Weimar mit unseren Aussagen vertreten gewesen zu sein.

In verkleinerter Form finden Sie die Inhalte des Bauschildes zusätzlich als Exponat im Bauhaus-Museum, welches zum Themenjahr Wohnen im Sommer 2023 dort ausgestellt wurde.

  1. 5 Grünfläche auf dem Bahnhofvorplatz, Schopenhauerstraße 2, 99423 Weimar

Gestaltung Bauschild: Enno Pötschke

Literaturverzeichnis

Weiter

05:50

Interdisziplinäres Forscher*innenteam

Nachwort und Reflektionen

Die Forschungswerkstatt Krise und Transformation des Eigenheims ist ein im Rahmen der Fellowship Forschungswerkstatt der Bauhaus-Universität Weimar gefördertes Forschungsprojekt. Ihr Hauptanliegen besteht darin, die sozialen, ökologischen und architektonisch- planerischen Krisen im Kontext des Eigenheims zu untersuchen und Ansätze für eine sozial- ökologische Transformation zu identifizieren.

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Skizzen für die Wortmarke der Forschungswerkstatt: Krise und Transformation des Eigenheims, Skizze, 2022
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08:44

Johanna Günzel, Kassandra Löffler

Der Traum vom Haus mit Garten – Geht das nicht auch anders?

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Ein (eigener) Garten, Illustration: Marijpol, 2023

Die Entscheidung für den Kauf und das Leben im ‘Eigenheim im Grünen’ ist nicht immer rational: die langfristige finanzielle Belastung, die alleinige Verantwortung für ein Haus, von Dach bis Keller, die Lage…schon auf individueller Ebene gibt es viele Argumente, die eigentlich gegen diese Wohnentscheidung sprechen. Trotz dieser Argumente handelt es sich um eine anhaltend beliebte Wohnform. Im Teilprojekt Wohnwünsche und ihre Erfüllung zwischen Gemeinschaftsprojekt und Eigenheim haben wir uns gefragt, warum.

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08:29

Michael Schwind, Elodie Vittu

Was hat das Einfamilienhaus mit Wohn- und Bodeneigentum zu tun?

Das Einfamilienhaus hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert. Ein Aspekt ist dabei jedoch konstant geblieben: Das Privateigentum bleibt als zugrundeliegende Logik des Einfamilienhauses erhalten. Einfamilienhausgebiete und das Boden- und Wohneigentum sind daher eng verbunden.

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03:37

Julia von Mende, Hanna Maria Schlösser

Das Einfamilienhaus zur Disposition – Empirisches Wissen und Weiterentwerfen

In Deutschland gibt es 16 Millionen Einfamilienhäuser mit einer oder zwei Wohnungen (Destatis, 2022, S.16). Um das Maß für die enorme Anzahl dieser Bestandsgebäude zu begreifen, hier ein Rechenbeispiel: Bei 83 Millionen Einwohner*innen hätten theoretisch alle Bundesbürger*innen in den bereits bestehenden Einfamilienhäusern ein Dach über dem Kopf, würden sie sich dort jeweils zu fünft arrangieren. Ein solches Transformationspotential adressiert unmittelbar die Planungspraxis. Es kann aber nur gemeinsam mit den Bewohner*innen gehoben werden.